Donnerstag, 22. Mai 2003
Die Leser als Redakteure

Verknapptes zum Verhältnis von Weblogs und Journalismus

siehe auch:
- p3k-s Auswahl zur Blogger-Debatte
- Blogtalk
- malmoes Bestandsaufnahme weblogs
- Polemik Print vs. Blog

Mit relativer Zeitverzögerung erobern Weblogs nun auch den medialen Raum in Europa. Die Einschätzungen dieser Form des elektronischen Publizierens divergieren gerade in journalistischen Kreisen. Sehen die einen in Blogs nicht viel mehr als "Online-Tagebücher" mit ausgeprägtem Konfessionscharakter über das Alltägliche, so orten die anderen den Nukleus für einen veritablen Medienumbruch.

Größere Öffentlichkeiten wie in den USA haben Weblogs in unseren Breitengraden noch nicht gebildet. Doch der Kern für einen Strukturwandel im Medienmachen wäre durchaus gegeben.

Der klassische Autorendiskurs, wie er in Print geführt wird, hat sich durch das Web erweitert (anders als oft behauptet, wurde der oft beschworene Tod des Autors nicht besiegelt - im Web feiert der Autor eher sein Comeback] . Jeder kann Redakteur sein, ob unter seinem realen Namen, als virtuelle persona oder "trademark" in einer Web-Community.

In den USA war gerade im Umfeld der Weblogs die Entstehung eines öffentlichen Raumes mit einem stark ethischen Charakter zu beobachten. Habermas' für das 18. Jahrhundert in England, Frankreich und Deutschland festgemachter "Strukturwandel der Öffentlichkeit" klingt hier nach. Auch im 18. Jahrhundert bildeten sich (vorerst belächelte) private Debattenforen, die später öffentlich nachhaltig wirksam wurden.

Der Rücktritt etwa des republikanischen Mehrheitsführers im US-Senat, Trent Lott, wurde stark von Blogger-Communities ventiliert. Der ethische Spin der Debatte, die zum Rücktritt geführt hat, war nicht zu übersehen.

Neue redaktionelle Maßstäbe, wie sie schon heute für Online-Journalisten gelten sollten, könnten gerade durch öffentlichkeitsbildende Weblogs verstärkt werden: Journalisten werden nicht mehr von "erhobenen" Sendepositionen senden oder schreiben, sie werden sich vernetzen und im Sinne einer Aufmerksamkeitsökonomie das patchworkartige Arbeiten dem Originalitätsdiskurs vorziehen.

Im elektronischen Medium wird verlinkt, annotiert, kommentiert, aber nicht mehr alles von Anfang bis zum Ende selber erzählt (und dabei suggeriert, alle Einfälle seien originäre Ideen).

Redaktion ist im elektronischen Zeitalter nicht mehr eine abgeschiedene Stube, aus der Einwegkommunikationen mit den Konsumenten generiert werden. Im Prinzip hat ein Medium so viele Redakteure, wie es Leser hat. Diese Leser machen nun seit einiger Zeit ihre Medien selber. [Kompaktfassung von Fuzo: Journalismus en blog]

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