Sonntag, 5. Februar 2006
Io crepo se non rido

oder: Mozart demütigt uns alle - besonders im Mozart-Jahr

Wer war Mozart? Nach dem Wust an neuer Sekundärliteratur über ihn kann ich nur zu einem Schluss kommen: Mozarts Leben kann nicht mal halb so spannend sein wie sein Werk, es ist nicht einmal ein Tausendstel so spannend wie letzteres.

Und möglicherweise ist dies der Grund, warum Mozart vielen so "unheimlich" ist. Mozarts Werk erschließt sich nicht über sein Leben - das tut es zwar bei vielen anderen Künstlern (Gott sei Dank!) auch nicht, aber bei Mozart scheint diese Kluft besonders groß.

Nicht minder groß ist oft die Kluft zwischen Stoff und Musik. Den ganzen kalten Nachmittag hänge ich schon bei einer Stelle aus der Cosi fan tutte.

Ein dramma giocoso, der Plot irgendwo eine nicht übermäßig intelligente Comédie humaine mit ein paar kleinen Würzern doppeldeutiger Aufklärung (die scheinkranken Soldaten, die über den Mesmerismus geheilt werden, ja, das ist beinahe postmodern, hielte man von diesem Begriff noch etwas). Doch was macht Mozart aus all dem? Mozart nimmt die Ironie da Pontes und biegt sie zum blanken Zynismus um, der noch dazu mit Zuckerwatte daherkommt.

Uns ist von Anfang klar: Der Plot ist ein Spiel, alles was kommt, ist Teil einer Wette, nichts wird letztlich tragisch sein. Mozarts Musik geht auf das Spiel der Verstellungen ein, überhöht es hier, unterläuft es ein wenig da.

Doch an dem Punkt, wo die zwei Liebhaber in den Krieg ziehen müssen und sich von ihren geliebten Damen trennen müssen, da macht Mozart das Publikum zu Wachs in seinen Händen. Die vier Handelnden besingen den Schmerz des Abschieds, doch nur zwei, nämlich die Frauen, sind aufrichtig - zur Erinnerung: Die Männer wissen in diesem Moment, dass es nur Spiel, eine Wette mit Don Alfonso, ist.

Mozart führt uns mit allen Kniffen in die Seelen der Handelnden, als ginge es um den aller erstenstesten und tragischsten Abschied, den es in der Oper bis dahin gegeben habe.

Addio, addio
Mi si divide il cor
Bell' idol mio!
Addio, addio!

In dem Moment, da die Träne locker sitzt, zieht Mozart nicht das Taschentuch aus dem Sack, sondern holt den Fünften zurück.

Io crepo se non rido, ich platze, wenn ich nicht lache

hören wir leise die Worte des Don Alfonso. Das Addio, addio! geht unvermindert schön und herzzerreißend weiter.

Für Mozart gilt nicht das Motto, der mitleidigste Mensch sei der beste. Mozart lacht uns alle aus. Im Prinzip lassen wir uns dauernd demütigen von Mozart. Seine Musik ist die höchste Form mit den Gefühlen des Publikums zu spielen und ihm zu sagen: Ihr könnt gerne vor euch hinphilosophieren und -moralisieren, am Ende seid ihr doch alle sentimentale Tropfe. Ich zeig es euch die ganze Zeit vor - und ihr bemerkt es nicht einmal. Cosi fan tutte.....

Meine Mozart-Droge im Augenblick: Die Cosi von René Jacobs

 
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