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Ein Toast auf Kurt Kister
Ich hab schon lange nicht mehr so gelacht über einen Politik-Artikel wie diesen von Kurt Kister über die deutsche Bundespräsidenten-Kür (ist auch am "Tag danach" mehr als lesenswert). Bei diesem Text fühlt man sich wahrlich rundversorgt... Aus Angst vor den Versenkungskünsten der "SZ" (in times of e-paper, you never know...), hier der Digest von det janze: >>
Präsenile Comedy
Nochmal Jubel, dann wieder Thierse: „Meine Damen und Herren, wir singen jetzt die Nationalhymne.“ Pause. „Äh, äh“, verlautete es dann vom Platz des Bundestagspräsidenten, „Tschuldigung, Tschuldigung, ich mach immer wieder Fehler.“ Gelächter auf allen Seiten des Hauses. Die Hymne nämlich kommt ganz am Schluss, immer, ganz ähnlich wie im Nachtprogramm beim Radio. War aber noch nicht Schluss, weil noch die erste Rede des nun designierten Bundespräsidenten ausstand. Die hatte Thierse schlichtweg vergessen. So wurden hinterher nicht nur Köhler, sein Ergebnis und seine erste Rede zu Gesprächsthemen auf den Fluren des Reichstags, sondern auch die Verwirrungen des Bundestagspräsidenten. Bereits zur Eröffnung der Versammlung hatte Thierse das Hohe Haus mit zahlreichen Versprechern erfreut. Mal redete er Gesine Schwan als Herr Professor Doktor Gesine Schwan an, mal sprach er von Wahlschlägen statt von Wahlvorschlägen, mal wollte er die Delegierten zur Abstimmung in die Osthalde und nicht in die Osthalle schicken. Wegen Thierses gedanklicher Abwesenheiten durchwehte die Bundesversammlung ein Hauch von präseniler Comedy.
Der Thierse, ich sach ma, einfach zum Wiehern
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Merkels Ironie
Andererseits haben sich 18 Delegierte aus dem so genannten bürgerlichen Lager gegen Köhler entschieden – zwei mehr, und die Mehrheit wäre zunächst einmal futsch gewesen. Merkel reagierte auf Fragen, ob das denn nun der große Erfolg gewesen sei, sehr angefasst. „Das war natürlich ein Katastrophentag“, zischte sie im Vorübergehen den Reporter an, der es gewagt hatte, danach zu fragen. Sie meinte es ironisch, nach dem Motto: Ich habe gerade im ersten Wahlgang meinen Kandidaten durchgebracht und du mäkelst, so seid ihr Journalistenvolk eben, schon wieder herum. Das Problem von Merkel in solchen Situationen ist, dass auch ihre Ironie so kalt daherkommt, wie ihr Ärger heiß ist.
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Die Unionssause
Die Union hatte die Ihren am Samstag um sieben Uhr zu einem, nun ja, feierlichen Abendessen in das Palais am Funkturm geladen; die FDP schipperte später, nachdem Köhler nebst Gattin bei der Union gespeist hatte, mit den Köhlers auf der Spree. Die Unionssause auf dem Berliner Messegelände war in zweierlei Hinsicht denkwürdig. Zum einen war da das Ambiente, zum anderen gab es einen sehenswerten Auftritt des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Der Reihe nach und mit dem Ambiente beginnend: Das Palais am Funkturm ist ein Saalbau aus den späten Fünfzigerjahren und sieht bis heute von der Eingangshalle bis zur Möblierung so aus, als sei die Zeit stehen geblieben: geschwungene Treppenaufgänge, meterhohe Gardinen, tropfenförmige Wandlampen, eckige Ziergitter. Solche Inseln der verlorenen Zeit sind typisch für Westberlin. Angela Merkel, bisweilen eine der großen Stolper-Rhetorikerinnen der Republik, kleidete dies bei ihrer Eröffnungsrede in den schönen Satz: „Das Palais war immer einer der gesellschaftlichen Höhepunkte des damals geteilten Westberlins.“
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Die Dinge waren vier kurze Reden, gehalten von Michael Glos, Angela Merkel, Edmund Stoiber und Richard von Weizsäcker. Letzterer stand eigentlich nicht auf der Rednerliste, aber, wie ein Stoiber-Vertrauter sagte: „Mei, wenn der do is, na red’a hoit gern.“ Glos, Merkel und Stoiber variierten in ihren Ansprachen das Thema: Wir wählen Köhler im ersten Wahlgang, und dann lösen wir bald die Regierung ab. Weizsäcker dagegen trat als Mahner auf. Der Bundespräsident a. D. gefällt sich immer mehr in der Rolle des überparteilichen Weltweisen, der Recht hat und auch keine Gelegenheit versäumt, dies öffentlich kund zu tun. Manchmal denkt man als missgünstiger Mensch aus kleinen Verhältnissen, dass die 1918 schon Gründe hatten, die Herrschaft des preußischen Adels zu beenden. Richard von Weizsäcker also, mit jedem Zoll der ehemalige Leutnant des Infanterieregiments 9, Potsdam, und nachmaliger Hauptbundespräsident, schritt gravitätisch zum Rednerpult. Von dort aus las er der unter ihm sitzenden Unionsspitze die Leviten. Das Amt des Bundespräsidenten sei „ein Amt der absoluten Überparteilichkeit“. Man dürfe zwar in einer Parteiendemokratie auch über „die langfristigen Folgen der Präsidentenwahl“ sprechen, dabei aber nicht den Respekt vor dem Amt verlieren. Schon Gustav Heinemann habe 1969 bedauerlicherweise seine Wahl als ein Stück Machtwechsel bezeichnet. Ohne dass er es so wörtlich sagte, lautete Weizsäckers Botschaft: Ihr wuseligen Machtpolitiker sollt nicht dauernd davon reden, dass Köhler der erste Schritt zu eurer Regierungsübernahme ist. Bei Merkel & Co. versteinerten die Mienen, im Saal erhob sich Gemurre. Nach seiner Rede schritt Weizsäcker zurück, Merkel stand auf und machte den Ansatz, Weizsäcker die Hand zu schütteln. Der antwortete darauf, indem er ihr die Wange tätschelte. Das mag man gern als Parteivorsitzende. Merkel stürmte mehr, als sie ging, anschließend nochmals aufs Podium und sagte ins Mikro: „Es bleibt uns unbenommen, dass wir weiter sagen dürfen, wie wir das alles verstehen.“ Laute Beifallsbekundungen von den Tischen. Im Hinausgehen, so wird kolportiert, habe Köhler später mit Bezug auf den Weizsäcker-Eklat gefragt: „Was hatte das alles zu bedeuten?“ Nun, auch das wird er noch lernen.
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